Wir hören und schauen hinter die Türe
Es ist und bleibt ein Geheimnis, wo genau sich das Frauenhaus Aargau-Solothurn befindet – und das mit gutem Grund: Hier finden Frauen Zuflucht und Geborgenheit, die beispielsweise häusliche Gewalt erfahren haben. Unsere Radio 32 Moderatorin Manuela Roth begleitet eine Woche lang die Mitarbeitenden und direkt betroffene Frauen. Ihre Erlebnisse teilt sie vom 04. - 08. April 2022 im Radio, auf Social Media und hier auf unserer Website in Form eines Blogs. Zudem erfolgt im Anschluss an die Frauenhaus-Woche eine Sondersendung.
Manuelas Blog
Manuelas Reise ins Frauenhaus ist mittlerweile schon über zwei Monate her. In einer Sondersendung schaut sie nochmals auf die intensive Zeit zurück und teilt aber auch Geschichten und Eindrücke, die bisher noch nicht veröffentlicht wurden. Hier gibt's die gesamte Sondersendung zum Nachhören:
Spezialsendung Frauenhaus
Radio 32Radio 32-Moderatorin Manuela Roth hat nun eine Woche im Frauenhaus verbracht. Zum Abschluss fragte sie die Betriebsleiterin Rosmarie Hubschmid, welches ihre grössten Anliegen sind für das Frauenhaus.
Rosmarie Hubschmid zu ihren grössten Anliegen
Radio 32Wie sie die Woche mit Radio 32 erlebt habe, wollte Manuela Roth von Janine Sommer, der Stiftungsratspräsidentin, wissen:
Janine Sommer zur Präsenz des Frauenhauses im Radio
Radio 32Ähnlich wie das Wetter ist heute auch meine Stimmung irgendwie – etwas wechselhaft und aufgewühlt. Meine Zeit im Frauenhaus geht heute zu Ende, ich habe 4 Nächte und 5 Tage inmitten der schutzsuchenden Frauen verbracht. Sie haben mich teilhaben lassen an ihrem Alltag hier, haben mir Einblicke in ihre Gefühlslage und in ihre Geschichte gewährt. Allesamt waren sie offen zu mir und trotz all der Schwere haben wir viel gemeinsam gelacht. Humor kommt in diesem Haus – zumindest in der aktuellen Gruppe – nicht zu kurz. Was mich besonders beeindruckt hat ist die gegenseitige Unterstützung; die Frauen versuchen sich aufzubauen, motivieren sich untereinander. Denn: Enttäuschungen mussten alle hier bereits viele verkraften – sei es bei der täglichen Wohnungssuche oder bei Behördengängen. Dabei werden sie aber nicht alleine gelassen, es steht jeder Klientin eine Beraterin zur Seite, welche sich um organisatorische, rechtliche oder finanzielle Dinge kümmert bzw. gewisse Prozesse anstossen und die Frauen dabei begleiten.
Manuela erlebt ihren letzten Tag im Frauenhaus
Radio 32Finanzielle Belastung
Flavia Beraterin im Frauenhaus AG-SO
Unterstützung und Angebote nach der Zeit im Frauenhaus
Flavia Beraterin im Frauenhaus AG-SO
Die Kinder Sophia und Laura erzählen wie es ihnen geht
Stimme zum Schutz verfremdet
Manuela zieht aus dem Frauenhaus aus
Radio 32Mein 4. Tag ist angebrochen und ich habe mich schon etwas an den Alltag hier in diesem Haus gewöhnt. Morgens weiss ich nun wo ich den Teller finde und wo man sich beim Brot bedienen kann. Das Frühstück essen alle hier zu mehr oder weniger unterschiedlichen Zeiten, je nach Schulbeginn der Kinder und anstehenden Terminen.
Wie geht es den Kindern der Frauen im Frauenhaus?
Nadine & Anina vom Kinderfachteam des Frauenhauses AG-SO
So treffe ich heute Morgen nur drei Frauen in der Küche. Bei der täglichen Sitzung der Mitarbeiterinnen erfahre ich, dass möglicherweise eine neue Klientin eintreten wird und weitere zwei Kinder mitbringt. Da läuft was, kann ich euch sagen! Die Kinder verstehen sich aber in der bestehenden Gruppe recht gut und sind mega herzlich im Umgang miteinander. Vom Kinderfachteam habe ich gelernt, dass es gerade den kleinen Bewohnern hier oftmals schnell wieder besser geht, weil es ihnen schon viel hilft, nicht mehr in diesem unsicheren Umfeld zuhause zu sein. Dies bedeutet aber natürlich noch lange nicht, dass das Erlebte verarbeitet ist. Dazu sind unter anderem eben auch Nadine und Anina da, welche die Kinder während Terminen der Mamis betreuen, mit ihnen Ausflüge machen oder sie beim Umgang mit der Situation unterstützen. Die Herzlichkeit der beiden jungen Frauen vom Kinderfachteam begeistert mich und ich erlebe auch mit, wie viel Vertrauen die Kinder in ihre Betreuerinnen haben.
Manuela über das Thema Sicherheit im Frauenhaus
Radio 32Warum Mitarbeitende möglichst unauffällig zur Arbeit kommen
Radio 32Schon bald ist die Hälfte meiner Zeit im Frauenhaus vorbei. Am Abend konnte ich noch mit mehreren Frauen sprechen und habe bereits viel von ihren Geschichten erfahren dürfen. Für mich ist es nicht selbstverständlich, dass sich ein Grossteil der Frauen mir gegenüber mittlerweile bereits sehr offen verhalten und mir einen Einblick in ihre Gefühlswelt geben. Sie alle haben unterschiedliche Geschichten – doch eines verbindet sie immer: Häusliche Gewalt. Und ein damit einhergehendes Schicksal, nämlich quasi nochmals neu zu beginnen. Mit dem Entscheid ins Frauenhaus zu gehen lassen die betroffenen Frauen und Mütter einen grossen Teil ihres alten Lebens zurück.
Mit dem Neustart sind sie zwar zumindest vorübergehend in Sicherheit, jedoch ist damit noch nicht alles geschafft. Nun müssen eine Wohnung und allenfalls eine neue Arbeitsstelle gefunden werden, allenfalls stehen Gerichtstermine an, die Frauen müssen ihre Kinder versorgen und auch ihnen eine neue Perspektive bieten. Dass damit eigentlich die Hauptlast bei der von Gewalt betroffenen Frau liegt und nicht beim Täter, stimmt mich nachdenklich.
Aus dem Frauenhaus: Die Geschichte von Ayla
Stimme zum Schutz verfremdet
Die gute Seele des Frauenhauses
Karin von der Hauswirtschaft des Frauenhauses AG-SO
Wie sieht es aus im Frauenhaus AG-SO? Manuela erzählt live
Radio 32So kannst du fürs Frauenhaus spenden!
Karin von der Hauswirtschaft des Frauenhauses AG-SO
Mein zweiter Tag im Frauenhaus beginnt mit einem Weckerklingeln und einem ungläubigen Blick zur Uhr. Ich habe tatsächlich fast 8 Stunden durchgeschlafen. Es ist relativ kalt im Zimmer, das Haus ist schon ziemlich alt. Trotzdem hatte ich eine gute Nacht – nicht so wie andere Frauen unter diesem Dach. Ich erfahre später bei der Morgensitzung, dass Selin (Name geändert) gar nicht gut geschlafen hat. Die junge Frau vermisst ihre drei Kinder unglaublich fest und hat daher kaum ein Auge zugemacht. Selin erzählt mir später, dass sie in der Nacht von zuhause weg ist und ihre Kinder zurücklassen musste. Bei einem Gespräch mit der Beraterin Sina bespricht sie die Situation und das weitere Vorgehen. Diese und ähnliche Geschichten gehen mir kaum mehr aus dem Kopf.
Manuela erzählt live, wie die erste Nacht verlief
Radio 32Wie muss man sich die Morgensitzung vorstellen?
Radio 32Am Nachmittag durfte ich Karin beim Einkaufen begleiten. Sie ist für die wöchentliche Menüplanung zuständig und bespricht mit den Bewohnerinnen die geplanten Mahlzeiten. Karin kümmert sich im Frauenhaus AG-SO aber nicht nur um das leibliche Wohl, sondern auch um alle anderen Hauswirtschafts-Dinge, von kaputten Möbelstücken bis zum fehlenden Toilettenpapier. Eine Einkaufstour mit ihr kann gut und gerne mal etwas länger dauern – je nach Belegung reicht ein einzelner Wocheneinkauf kaum. Gut gibt es zusätzlich die Möglichkeit bei Grossverteilern auch online zu bestellen und liefern zu lassen. Dies hat gleich mehrere Vorteile: Karin muss nicht bis zu 8 Tüten schleppen und fällt zudem beim Einkauf auch etwas weniger auf. Denn wer das Wägeli bis zum Rand füllt, erntet dementsprechend auch neugierige Blicke; ganz besonders in Pandemie-Zeiten, erzählt sie mir augenzwinkernd. Die Hauswirtschafterin ist aber sowas von routiniert und führt nicht zuletzt dank ihrer Erfahrung ein gut sortiertes Lager.
Wie sieht die Menüplanung im Frauenhaus aus?
Karin von der Hauswirtschaft des Frauenhauses AG-SO
Manuela erzählt live von der Einkaufstour fürs Frauenhaus
Radio 32Kleider spenden ans Frauenhaus
Betreuerin Frauenhaus AG-SO Valentina (Name geändert)
Wo fängt häusliche Gewalt an?
Karin Greub, Beraterin Beratungsstelle Opferhilfe SO in Olten
Wie geht man bei häuslicher Gewalt vor?
Karin Greub, Beraterin Beratungsstelle Opferhilfe SO in Olten
Was macht die Polizei gegen häusliche Gewalt?
Sarah Weidmann, Sachbearbeiterin Gewaltschutz KAPO AG
Nicht jeder weiss sofort, was er sich unter einem Frauenhaus vorzustellen hat. Das Stichwort hier ist «häusliche Gewalt». Also etwas, bei dem man sich nicht nur wünscht, es passiere einem selber nie, sondern auch etwas bei dem jeder Fall ein Fall zu viel ist. Es ist ein Zufluchtsort für Frauen, denen aber genau das widerfahren ist.
Was ist das Frauenhaus überhaupt?
Rosmarie Hubschmid, Leiterin Frauenhaus AG-SO
Im Gegensatz zu vielen den von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen beziehe ich mein Zimmer mit ziemlich viel Gepäck. Ich habe quasi alles dabei: Persönliche Kleidung, meine Kosmetikprodukte, mein Handy und gar Bücher. Viele der im Frauenhaus AG-SO Schutz suchenden Frauen kommen aber nur mit einer Tasche hierher – oder komplett ohne etwas. In diesen Fällen steht eine kleine Erstausstattung bereit – das Nötigste an Hygieneartikeln und ein paar Kleider. Diese stammen komplett aus Spenden.
Manuela erzählt live von ihrem Einzug ins Frauenhaus
Radio 32Manuela bezieht ihr Zimmer
Betreuerin Frauenhaus AG-SO Valentina (Name geändert)
Wie muss man sich so einen Fall von häuslicher Gewalt vorstellen?
Karin Greub, Beraterin Opferhilfe Kanton Solothurn in Olten
So kann eine erste Kontaktaufnahme zwischen Betroffenen und dem Frauenhaus ablaufen
Karin Greub, Beraterin Opferhilfe Kanton Solothurn in Olten
Was erwartet mich wohl hinter der Türe des Frauenhauses AG-SO? Wie werde ich von den Klientinnen aufgenommen und mit welchen Geschichten und Emotionen werde ich da konfrontiert? Mir gehen viele Fragen durch den Kopf, bevor ich am Montag Morgen da einziehen werde. Ja, ich werde auch im Frauenhaus schlafen – mitten unter den Frauen, welche da Schutz vor häuslicher Gewalt gesucht und gefunden haben. Und zugegeben: Etwas Bammel habe ich schon, einfach weil ich nicht weiss was mich erwartet. Auf der anderen Seite bin ich gespannt auf die Eindrücke und Erlebnisse da und hoffe, dass ich etwas Licht ins Dunkle bringen kann. Vielleicht auch im Hinblick darauf, dass das Thema Häusliche Gewalt nach wie vor ein Tabuthema und die Dunkelziffer sehr hoch ist. Es ist dringend notwendig, dass die Gesellschaft hier besser hinschaut.
«Nicht zuletzt die Pandemie hatte grosse Auswirkungen auf die Fallzahlen im Bereich Häusliche Gewalt»
Rosmarie Hubschmid, Leiterin Frauenhaus AG-SO